Franz Hassel

Franz Hassel (Eintrag in den Lebacher Familienbüchern nach Gerhard Storb Nr. 1113) wurde am 5. Dezember 1912 in der „Heck“ im Haus „Borren“ (sein Hausname) geboren.  Er war ein Bruder von Johann Hassel, der auch im 2. Weltkrieg gefallen war. Die Eltern waren der in Thalexweiler geborene Bergmann Johann Hassel (* 1875/ + 1959) und Margaretha Grohs (* 1875/ + 1918).

Soldat Franz Hassel, Fotoarchiv: Helga Heinrich

Verheiratet war Franz Hassel mit Christine, geb. Warken (Kreuzwies). Helga war ihre gemeinsame Tochter.

Die WASt bestätigt die in den Storb’schen Familienbüchern enthaltene Angabe zum Tod von Franz Hassel. Er fiel am 22. September 1944 bei Pindes (so Storb) in Lettland. Die WASt präzisiert diese Angabe. Obergefreiter Franz Hassel sei am 22. September 1944 (2. Batterie des Artillerieregimentes 21) in Pindes durch einen PAK-Volltreffer gefallen; die Grablage befinde sich in Brucksis bei Smilten.

Um das gleich klarzustellen: Den Ort Pindes kann man in Lettland nicht finden. Eine Anfrage eines militärgeschichtlich interessierten Freundes beim lettischen Nationalarchiv ergab, dass man dort diesen Ort nicht kennt und auch nicht weiß, welchen ähnlich klingenden Ort die Wehrmacht damals gemeint haben könnte.

Bis Mitte 2005 kannte der Volksbund seine Grablage nicht. Mittlerweile aber hatten wir den Volksbund auf eine – später noch zu erzählende – unglaubliche Geschichte über das Auffinden seines Grabes bei Smiltene (Lettland) aufmerksam gemacht.

Wir hatten uns im Auftrag seiner Tochter Helga Anfang 2005 an die WASt gewandt, um den angeblich im Baltikum verschollenen Toten zu suchen. Und tatsächlich: Die WASt kannte seine Geschichte und revidierte die Falschaussage des Lebacher NSDAP-Ortsgruppenleiters von Sylvester 1944, Franz Hassel sei durch eine Panzerabwehrkanone getroffen und zerfetzt worden. Ein Grab gebe es nicht, weil von seinem verbrannten Leichnam nichts übrig geblieben sei. Diese Geschichte, die meine Mutter (Martha Schmidt, geb. Warken, jüngste Schwester von Christine Hassel) immer und immer wieder erzählt hatte, stimmte – wie so vieles, was in der Nazizeit den Menschen erzählt wurde – nicht. Als Christine Hassel die Todesnachricht also etwa 3 Monate, an Sylvester 1944, erhielt, brach sie zusammen; sie konnte den Tod ihres Mannes emotional nicht fassen.

Die WASt bestätigte am 3. Mai 2005: Franz Hassel liege bei Smiltene (Lettland, Nähe Grenze zu Estland bei Grenzstadt Walk) begraben, wobei die genaue Grablage bei einem Gehöft namens Bruksis der WASt nicht bekannt sei.

Franz Hassel laut WASt im Schreiben vom 3. Mai 2010

Zunächst möchte ich mich kurz mit seinem Regiment beschäftigen, dem  Artillerieregiment 21 (er diente zuletzt als Obergefreiter in dessen 2. Batterie der 1. Abteilung), das laut Lexikon der Wehrmacht bereits 1935 und so auch in jenen Tagen des deutschen Zusammenbruchs an der Ostfront der 21. Infanteriedivision (21. ID) unterstellt war. Man dürfte sich wundern, dass ein Saarländer (und das hieß  für die Wehrbereichsverwaltung: ein Rheinländer) in einem Regiment gedient hatte, das seinen Standort in Mohrungen/ Ostpreußen (heute: Polen) hatte. Man muss wissen, dass die 21. Infanteriedivision nach ihrem Einsatz in Polen (am 1. September 1939 begann mit dem Überfall auf Polen der 2. Weltkrieg) in den Raum Bitburg verlegt wurde (Frankreich und England hatten Deutschland am 3. September 1939 wegen des Einmarsches in Polen den Krieg erklärt). Vom 10. Mai bis zum 25. Juni 1940 nahm die 21. ID am sogenanten Frankreichfeldzug teil und durchquerte Luxemburg und Belgien, um in Lothringen schwere Gefechte zu bestehen. Von Anfang an war die 21. ID am Überfall auf die Sowjetunion (22. Juni 1941) beteiligt, wurde also nach dem Sieg über Frankreich wieder zurück nach Ostpreußen verlegt.

Ich zitiere das Lexikon der Wehrmacht: „Aus dem Raum Tilsit stieß die Division nach Litauen vor, ging bei Jakobstadt über die Düna und stieß über Ostrow und Porchow auf Dno vor. Hier drehte die Division auf den Illmensee ein und kämpfte sich am Nordufer des Wolchow nach Norden vor. Schließlich stieß die Division auf Wolchowstroj vor. Im Dezember 1941 mußte die Division sich hinter den Wolchow bis nach Kirischi zurückziehen. Hier bildete die Division den einzigen deutschen Brückenkopf auf dem Ostufer des Flusses. Die Division verblieb das gesamte Jahr 1942 über in diesem Frontabschnitt, wobei sie schwere Verluste erlitt. 1943 nahm die Division an den Schlachten um die Ssinjawinohöhen südlich des Ladogasees teil. Mit dem Großangriff der Roten Armee im Januar 1944 begann für die Division der Rückzug von Leningrad über Pleskau bis ins Baltikum. Im Oktober 1944 wurde die Division in Riga auf Schiffe verladen und in die Heimat transportiert.

Ostfront zwischen August 1943 und Dezember 1944; Quelle: Wikipedia; Grafik: gemeinfrei

Franz Hassel erreichte den Hafen in Riga nicht mehr (abgesehen davon, dass sein Regiment später in den Masuren fast völlig vernichtet wurde). Von Januar bis September 1944 (als Franz Hassel fiel), bewegte sich die 21. ID im Raum Pleskau (Weißrussland), Walk (Estland/ Lettland) und Riga (Lettland); sie war bei diesen Rückzugsgefechten im Baltikum der 18. Armee unterstellt, die zusammen mit der 16. Armee die Heeresgruppe Nord (später: eingekesselte Kurland-Armee) bildete.

Meine Mutter, Martha Schmidt (seine Schwägerin, s. oben), erzählte mir öfters, dass er bei seinem letzten Heimaturlaub 1943 sehr deprimiert war und es ihm sehr schwer viel, an die Ostfront zurückzukehren. Er habe nicht mehr daran geglaubt, dass Deutschland diesen Krieg gewinnen könne. Auch konnte er sich nicht vorstellen, diesen Wahnsinn zu überleben. Er sei sich sicher gewesen, in diesem Krieg umzukommen. Auch habe er für die Zukunft seines Landes angesichts der vorrückenden russischen Armeen schwarz gesehen; die russische Rache werde fürchterlich sein.

Zurück zur wunderbaren Entdeckung seines Grabes neben dem Gehöft (Aussiedlerhof wurde man bei uns vielleicht sagen) Bruksis bei Smiltene in Lettland:

Nachdem ich den Brief der WASt vom 30. Mai 2005 erhalten hatte, wandte ich mich sowohl an die deutsche Botschaft in Riga (Lettland) als auch an die lettische Botschaft in unserer Hauptstadt. Die deutschen Diplomaten in Lettland waren eher abweisend und nicht sonderlich hilfsbereit. Aber die lettischen Diplomaten in Deutschland waren regelrecht bemüht, uns zu helfen. Mein Schreiben, das ich zunächst zur lettischen Botschaft in Berlin geschickt hatte, landete – auf welchem Weg auch immer – im lettischen Konsulat in Bonn. Die Leiterin des lettischen Konsulats stammte zufällig aus Smiltene und kannte den Aussiedlerhof Bruksis aus ihrer Kindheit. Sie befragte also ihren Vater, der 2005 immer noch in Smiltene lebte nach diesem Grab bei Bruksis. Ihr Vater machte sich auf, um in Bruksis auf die Suche zu gehen. Dort sprach er die Bäuerin an, die den Hof bewirtschaftete, und sie zeigte ihm tatsächlich das Grab eines deutschen Soldaten am Rand des Feldweges, der zu ihrem Hof führt. Auf seine Frage hin, ob sie den Namen des Soldaten kenne, der auf dem Holzkreuz (das 2004 morsch nach 60 Jahren weggebrochen war) gestanden habe, bestätigte sie unseren Namen: Franz Hassel.

Das war doch wirklich unglaublich?

Die Konsulin informierte uns sofort. Noch im gleichen Jahr besuchte die Tochter von Franz Hassel, Helga, sein Grab in Lettland. Dabei war die Konsulin außerordentlich behilflich. Vor Ort kümmerte man sich um die Angehörige „ihres“ gefallenen deutschen Soldaten, der nun schon über 60 Jahre in „ihrer“ Smiltener Erde ruht, ganz warmherzig.

Tochter Helga am Grab ihres Vaters am 13. August 2005 in Bruksis (Smiltene, Lettland), Foto: Beate Heinrich

Anlässlich des Besuches der deutschen Angehörigen fasste das lettische Dorf sein Grab neu und stellte ein neues Holzkreuz auf. Auf dem Bild oberhalb sieht man das Grab, an dem Helga am 13. August 2005 betete; im Hintergrund befindet sich hinter den Bäumen der Hof Bruksis; unmittelbar rechts neben dem Grab (hier auf dem Bild nicht sichtbar) verläuft der Feldweg zum Gehöft (und weiter).

Bei maps.google nachschauen, wie weit Bruksis von Niedersaubach entfernt ist!

Helga, die Tochter von Franz Hassel, erlebte in Smiltene noch eine unglaubliche Geschichte. Vor Ort betreute sie – neben dem Vater der Konsulin – ein älterer Herr, der als kleiner Junge am 22. September 1944 die Grablegung beobachtet hatte. Er berichtete, er habe gesehen, wie die Kameraden des schwer verwundeten Franz Hassel versuchten hätten, ihn zum Verbandsplatz in die zum Notlazarett umfunktionierte Schule von Smiltene zu schaffen. Dabei starb er ihnen beim Gehöft Bruksis unter den Händen weg.  Sie begruben ihn dann sozusagen an Ort und Stelle am Wegesrand und errichteten über seinem Grab ein Holzkreuz mit seinem Namen: Franz Hassel. Dieses Holzkreuz sollte unangetastet noch 60 Jahre Wind und Wetter trotzen. Am Holzkreuz hingen seine Kameraden auch noch seine Mütze auf. Der Zeitzeuge erinnerte sich, dass diese Mütze noch einige Jahre sein Kreuz bedeckte.

Man erzählte Helga auch noch, dass sich bis weit in die 70er Jahre dem Grab von Franz Hassel gegenüber auf der anderen Straßenseite das Grab eines russischen Soldaten befand. Jener wurde aber von seinen Landsleuten schließlich heimgeholt auf einen Ehrenfriedhof in der Sowjetunion.

Die Saarbrücker Zeitung berichtete übrigens über den Besuch der Tochter am Grab des Vaters in Lettland.

Und eine Besuchergruppe aus der Heimat besuchte noch einmal im Sommer 2010 die Grabstätte.

Das Grab von Franz Hassel in Bruksis bei Smiltene; Foto: Paul Mattick

Auch hierüber berichtete die Saarbrücker Zeitung.

Der Volksbund hat die Angaben mittlerweile auch eingestellt.

Stand der Angaben: 04 2011

Ein Gedanke zu „Franz Hassel

  1. Mein Vater ist auch im September 1944 in Smiltene Lettland Gefallen.
    Ich werde im Mai 2015 das Grab meines Vater in Smiltene suchen.
    Name: Henrich Hunhoff
    geboren: 09.09.1914, Bocholt
    Todestag: 16.09.1944
    bestattet: Smiltene,Hfdh. Block 1, Reihe 3, Grab 2

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