Nikolaus Peter Brück war laut Storb (Eintrag-Nr. 526) am 03.12.1900 geboren worden. Sein Todesjahr sei 1941 gewesen; als Todesort wird Dachau genannt.
Er war ein Holdter. Die Eltern waren Nikolaus Brück (* 1868/ + 1916) und Margaretha Johäntgen, Dienstmagd (* in Landsweiler).
Nikolaus Brück heiratete 1927 in Püttlingen Regina Blum (* 04.03.1906 in Püttlingen). Mit ihr hatte er eine Tochter; sie hieß Josefine.
Ein Nachbar von ihm, Oskar Schäfer (Lebsen, Jahrgang 1929) erinnerte sich kürzlich (in einem Gespräch am 27.12.2011), dass Nikolaus Brück ein Tüftler gewesen sei. Schon als junger Mann habe er in der Hold mit eigenen Händen ein Auto konstruiert. Er sei von Beruf Maschinenbauer oder Elektroingenieur geworden.
Noch andere Geschwister von Nikolaus Brück hätten sich nach Püttlingen verheiratet.
Er selber habe mit seiner Frau noch während der Völkerbund-Zeit, also vor 1935, das Saargebiet verlassen und sei nach Paris verzogen. Dort habe er zusammen mit einem französischen Freund eine Elektro-Firma betrieben.
Im Juni 1940 sei er von der Gestapo in Paris verhaftet und ins KZ Dachau verbracht worden. Auf die Frage, was ihm denn die Nazis vorgeworfen hätten, meinte Lebsen Os, Nikolaus Brück habe (1) als Auslands-Saarländer am 13. Januar 1935 nicht an der Saarabstimmung teilgenommen (was ihn verdächtig gemacht habe) und (2) habe er der französischen Industrie ein Patent verkauft (was die Nazis als Landesverrat gedeutet hätten).
In der Tat ist belegt (die Unterlagen befinden sich beim Internationalen Suchdienst ITS in Bad Arolsen), dass Nikolaus Brück am 12. Mai 1941 um 01:20 Uhr in Dachau umgekommen ist (Häftlings-Nummer 22.275). Er hatte gewohnt im 12. Pariser Arrondissement (Rue Changarnier 4).
Das Ministerium für Kriegsopfer in Paris bestätigt ebenfalls laut Unterlagen des ITS in Bad Arolsen, dass der Techniker Nikolaus Brück am 10. Dezember 1940 in Paris verhaftet und am 12. Mai 1941 in Dachau umgekommen ist.
Das Internationale Rote Kreuz (Quelle: ITS in Bad Arolsen) schreibt ebenfalls 1964, Nikolaus Brück sei von der Metzer Sicherheitspolizei am 12./ 13. Dezember 1940 in Schutzhaft genommen und ins KZ Dachau überführt worden. Die Zugangsliste habe vermerkt: „prestataire“.
Selbst seine Bestandskarte aus dem KZ Dachau ist noch vorhanden.
In der Widerstandsliteratur der Saar ist Nikolaus Brück bekannt (worauf mich der Historiker Michael Landau, Niederlinxweiler, hingewiesen hat). Hierzu gibt es eine Quellenangabe. Gerhard Paul und Klaus-Michael Mallmann haben in: Milieus und Widerstand. Eine Verhaltensgeschichte der Gesellschaft im Nationalsozialismus. Widerstand und Verweigerung im Saarland 1935- 1945, Bd. 3, Bonn (J. H. W. Dietz Nachf.) 1995, 664 S., auf ihn Bezug genommen: „Andere Katholiken wiederum lehnten – wie der aus Niedersaubach stammende Elektroingenieur Nikolaus Brück – den Beitritt zur NSDAP ab; 1940 wurde Brück in Metz verhaftet und ins KZ Dachau geschickt, wo er am 12. Mai 1940 ums Leben kam.“ (S. 570)
Interessant ist noch die Frage, was wohl ein „prestataire“ damals in Frankreich gewesen sein könnte (heute würde man wohl sagen: „Dienstleister“).
Hierzu schreibt Dieter Marc Schneider in: Saarpolitik und Exil 1933 – 1955, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 25 (1977), S. 467 – 545, hier S. 515: „Ein großer Teil der Saarländer wurde nach Kriegsausbruch ein zweites Mal in Lager verbracht. Von dort führte in vielen Fällen der Weg in die Fremdenlegion, die Internierten wurden als Arbeiter in der Rüstungsindustrie eingesetzt („prestataire“), schließlich fielen nach der Besetzung Frankreichs – ausgeliefert durch die Regierung Pétain – viele in die Hände der Gestapo.“
Mein Freund Wilfried Busemann, Historiker aus Kleinblittersdorf, hat mir zum Begriff „prestataire“ geschrieben (15.02.2012): „Prestataires waren ab 1940 deutsche oder östereichische NS-Emigranten, die sich nicht ‚freiwillig‘ zur Fremdenlegion gemeldet hatten, sie wurden vom französischen Staat zu „prestataires“ gemacht: unbewaffnete Arbeitssoldaten, ‚Fremdenlegionäre der Arbeit‘, die vor allem kriegswichtige Arbeiten zu verrichten hatten (so lange die französische Armee überhaupt noch Widerstand leisten konnte). Wer als prestataire in deutsche Gefangenschaft geriet, galt als Hochverräter!“
Mein Freund Walter Nimmesgern (Romanist aus Lebach) hat im Februar 2012 zum Begriff „prestataire“ französische Quellen (einfach anklicken, um das PDF-Dokument zu erhalten) durchgesehen und mir einschlägige Hinweise auf das bittere Schicksal der „prestataire“ in Frankreich nach der Okkupation durch die Deutschen zusammengetragen und dankenswerterweise auch ins Deutsche übersetzt. Diese Hinweise machen plausibel, warum Nikolaus Brück dem NS-Terror zum Opfer fiel.
Nikolaus Brück findet Erwähnung in einem Buch von Hans-Walter Herrmann: Püttlingen in bewegter Zeit, Politik und Gesellschaft 1918 – 1945, Herausg.: Stadt Püttlingen, Conte 2008. Ebenda auf S. 625 wird er unter der Überschrift „Spionage“ abgehandelt; er sei Agent der Auslandsabwehr des Oberkommandos der Wehrmacht unter Wilhelm Canaris gewesen; weil er sich geweigert habe, sich in England als Agent einschleusen zu lassen, habe man ihn verhaftet und nach Dachau verbracht. Frau und Tochter seien daraufhin nach Püttlingen zuückgekehrt, wo seine Frau Regina – auf Fürsprache eines guten Freundes – wieder in den Schuldienst eingestellt worden sei. Leider ist diese Angabe nicht weiter belegt. Mir scheinen die Unterlagen aus Bad Arolsen (ITS) plausibler zu belegen, dass der Grund seiner Verhaftung durch die Sipo Metz sein Schicksal als „prestataire“ gewesen war.
Seine angeheiratete Nichte Waltraud Kammer erzählte mir im Februar 2012, ihre Schwiegermutter, Johanna Kammer (Drowen), habe beim Bruder Nikolaus Brück und dessen Familie in den 3oer Jahren als Kindermädchen länger gelebt. Noch im hohen Alter habe sie mit großer Begeisterung von diesen aufregenden Tagen in Paris erzählt.
Wichtige Erkenntnisse über das Schicksal von Nikolaus Brück bringt „seine“ Entschädigungsakte, die im Landesarchiv des Saarlandes in Saarbrücken-Scheidt zu finden ist (Bestell-Nummer: LEA 12360 und 12361). Neben einer sogenannten Vorakte aus der Zeit des JoHo-Regimes dokumentiert „seine“ Hauptakte nach der Rückgliederung des Saarlandes nach Deutschland die schlussendlich erfolgreichen Bemühungen seiner Witwe Regina, eine Entschädigung als Opfer des Nationalsozialismus zu erhalten. Dieses Bemühen zwingt sie, sehr ausführlich über die Pariser Zeit der jungen Familie Brück in Paris zu berichten.
Im April 1926 sei man auf Geheiß der Firma Brückner & Dietze in Coburg, wo Nikolaus Brück damals als Elektroingenieur gearbeitet habe, nach Paris gegangen, um eine Elektrodenfabrik aufzubauen und zu leiten. 1936 hätten sich die Kompagnons in Coburg getrennt; Brückner habe Nikolaus Brück während der Turbulenzen in Oberfranken die Firma in Paris verkauft. Allerdings sei ein ehemaliger Vorgesetzter aus der Firma Brückner & Dietze, mit dem man vorher gut harmoniert habe, mit diesem Verkauf nicht einverstanden gewesen. Er habe die Pariser Firma selber haben wollen. Aus diesem kommerziellen Konflikt sei nach 1936 eine richtige Feindschaft geworden; dabei habe dieser Mann später schamlos ausgenutzt, dass Nikolaus Brück mehr oder weniger offen seine Antipathie gegenüber dem Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht habe.
Als bei Kriegsausbruch am 1. September 1939 die Auslandsdeutschen in Frankreich vom französischen Staat interniert wurden, habe sich Nikolaus Brück entschlossen, sich dem französischen Staat als „Bausoldat“ (prestataire, s. oben) anzubieten in der Hoffnung, in der eigenen Firma eingesetzt zu werden. Leider habe sich diese Hoffnung nicht erfüllt; er sei im Straßenbau eingesetzt worden. Sein Bestreben sei es allerdings gewesen zu verhindern, dass die französische Konkurrenz in den Besitz seines Betriebes und seiner Technologie komme; das sei ihm auch gelungen.
Als nun aber die Wehrmacht im Juni 1940 Paris besetzt hatte, sei Nikolaus Brück von diesem besagten Konkurrenten aus Oberfranken bei der Pariser NSDAP-Ortsgruppe denunziert worden als Gegner des Nationalsozialismus. Ein Beispiel, das ihm angekreidet worden sei, sei die Tatsache gewesen, dass er am 10. April 1938 nicht ins Reich gefahren sei, um an der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs mit abzustimmen. Schließlich habe ihn Ende 1940 diese NSDAP-Ortsgruppe vorgeladen, um sich zu erklären. Er sei aber damals schon körperlich und seelisch (durch die Internierung und die Zwangsarbeit bei den Franzosen) so fertig gewesen, dass er selber nicht der Vorladung folgen konnte; sie sei hingegangen und habe dabei den besagten Konkurrenten aus Oberfranken aus dem Zimmer des Ortsgruppenleiters heraus kommen sehen. Die Behandlung, die sie dort erfahren habe, sei sehr ruppig gewesen. Man habe sie und ihre Familie aufgefordert, Paris am 5. Dezember 1940 Richtung Deutschland zu verlassen. Bei der Fahrt ins Saarland habe dann die GESTAPO ihren Mann im Durchgangslager in Metz verhaftet. Als man sich auf dem Metzer Bahnhof verabschiedet habe, hätten er, sie und auch die 7-jährige Tochter Josefine gespürt und gewusst, dass man sich nicht mehr wiedersehen würde.
Regina Brück berichtet weiter, sie habe dann mit ihrer Tochter übergangsweise in Niedersaubach gewohnt (bei den Verwandten in der Holdt). Schließlich sei sie nach Püttlingen zurückgegangen, wo sich der Schulrat Thiel, ein Dr. Lichthard von der Schulaufsicht und der Rektor einer Püttlinger Schule, Heinrich Contier, dafür eingesetzt hätten, sie in den Schuldienst zu nehmen (sie habe eine Ausbildung als Lehrerin gehabt). Am 10. Oktober 1941 habe sie dann tatsächlich ihren Schuldienst antreten dürfen.
Und schließlich findet sich in ihren Begründungen im Entschädigungsantrag die traurige Geschichte ihres Mannes aus dem KZ Dachau. Am 13. Mai 1941 sei sie informiert worden, dass ihr Mann gestorben sei. Sie sei mit einem ihrer Schwager (der Knorscheider Ortsvorsteher Paul Brück, ein Neffe von Nikolaus Brück, vermutet, mit seinem Vater) am 14. oder 15. Mai dann sofort dorthin gefahren. Man habe sie in einen Raum geführt, wo ihr Mann in einem fest verschlossenen Glassarg gelegen habe. Er sei ganz ausgemergelt und auffällig gelb gewesen. 2 Saarlouiser Mithäftlinge aus dem KZ hätten ihr kurz nach dem Krieg berichtet, Nikolaus Brück habe in Dachau einen „roten Winkel“ getragen (das Zeichen für die aus politischen Gründen Inhaftierten wie Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter). Er habe in einem ganz schlimmen Bereich des KZ Dachau, dem sogenannten „Garagenbau“, gearbeitet. Weil er dort habe keine Schuhe bei der schweren Arbeit tragen dürfen, habe er sich die Fersen aufgerissen, die sich dann heftig entzündet hätten. Es sei daraufhin wohl bei dem völlig entkräfteten Mann zu einer allgemeinen Sepsis gekommen, an der er wahrscheinlich (wenn man nicht noch mit einer Giftspritze – wie oft vorgekommen – nachgeholfen habe) im Krankenrevier relativ schnell gestorben. Die beiden Zeugen aus Saarlouis sind in der Akte namentlich benannt.
Hierzu hat das Adolf-Bender-Zentrum eine Broschüre erstellt, die man beim Anklicken des unterhalb stehenden Startbildes als PDF-Dokument erhalten kann.
Stand: 09.2013