Sensationell

Niedersaubach darf 2012 seinen 800sten Geburtstag feiern


Schon in der Ortschronik wird vom ersten Dorfschullehrer, Peter Adam, einleitend (Eintrag 1905) behauptet, Niedersaubach sei schon 1212 urkundlich erwähnt worden: “Das Filialdorf Niedersaubach liegt am trüben und schlammigen ‘Saubach’, welcher in früheren Zeiten als Schwemme für ‘Säue’ gedient haben soll, daher Saubach. Niedersaubach zum Unterschied von Gresaubach. Niedersaubach wird schon im Jahr 1212 erwähnt, da nämlich ein Graf ‘Albertus von Sygusbergh’ sein Allodium hierselbst dem Erzbischof von Trier verkauft haben soll. Das ursprüngliche Dorf soll nördlich von dem jetzigen in dem Wiesental zwischen Rümmelbach und dem jetzigen Niedersaubach gelegen haben und im dreißigjährigen Krieg zerstört worden sein. Wie ältere Leute mir erzählten, sollen an jener Stelle noch Fundamentmauern stehen.”

Wir befragten den renommierten Regionalhistoriker Johannes Naumann aus Thalexweiler, ob denn diese Legende irgendwie überprüfbar sei. Johannes Naumann war sich ganz sicher, dass die genannte Adelsfamilie erst viel später gelebt hatte. Aber die Jahresangabe schien ihm irgendwie überprüfenswert. Deshalb forschte er in den Regesten (lateinisch für die „getanen Dinge“; in der Geschichtswissenschaft meint ein Regest die gerichtsfesten Zusammenfassungen von mittelalterlichen Urkunden) der Abtei Tholey nach einem urkundlichen Eintrag des Dorfes Niedersaubach.

Zur Erklärung: Als in den 1770er Jahren Lothringen schon französisch geworden war (das Amt Schaumburg und damit die Abtei Tholey lag damals in Lothringen), versuchte Frankreich, sich über die Besitzverhältnisse in Lothringen Klarheit zu verschaffen. Das betraf natürlich auch die ehedem mächtige und reiche Abtei Tholey, an deren Einkünften z.B. aus Schuldverschreibungen der König von Frankreich teilhaben wollte. Deshalb schickte er seine Staatskommissare, um die alten Urkunden zu sichten und die Eigentumsverhältnisse zu klären. Die Tholeyer Mönche waren den französischen Staatsbeamten aus verständlichen Gründen nicht gerade behilflich, aber konnten die Aufarbeitung doch nicht verhindern.

Man muss wissen, dass Johannes Naumann im Hauptstaatsarchiv in München die Regesten der Abtei Tholey wiederentdeckt und ausgewertet hat. Leider sind die Originale, auf die in den Regesten Bezug genommen wird, in den Wirren der Französischen Revolution zerstört worden. Aber ein Amtmann konnte während des revolutionären Aufruhrs, bei dem die Klöster eine Zielscheibe der Brandschatzung waren, die Regesten über Zweibrücken und Mannheim nach München (wenige Jahre, von 1787 bis 1793, gehörte das Amt Schaumburg noch zu Zweibrücken und damit zu München) retten.

Paul Mattick, Josef Heinrich, Werner Schmidt und Lothar Schmidt halten die Kopie der Schuldverschreibung von 1212 in Händen

Paul Mattick, Josef Heinrich, Werner Schmidt und Lothar Schmidt halten die Kopie der Schuldverschreibung von 1212 in Händen

Und tatsächlich: Unter Artikel Nr. 1861 erfassten die französischen Ermittler eine Urkunde aus dem Jahr 1212, die Niedersaubach betrifft (Übersetzung von Johannes Naumann aus dem Französischen ins Deutsche):

Schuldverschreibung von 1212, Regesten der Abtei Tholey, Artikel-Nr. 1861, Münchner Hauptstaatsarchiv

Schuldverschreibung von 1212, Regesten der Abtei Tholey, Artikel-Nr. 1861, Münchner Hauptstaatsarchiv

Dieses Startbild anklicken, um zur größeren PDF-Datei zu kommen!

„Schuldverschreibung. Thilmann, officier de Vinterberg, nimmt eine Schuldverschreibung über 100 Pfund Trierer Geldes bei der Abtei Tholey auf und überlässt ihr dafür eine jährliche Rente über 10 Pfund selben Geldes, welche er als Lehen der Abtei in den Dörfern Lebach und Saubach innehat. Einzelstück, Ausfertigung, Pergament, das ehemals Siegel ist verloren, Latein, Urkunde löchrig“

Wegen der engen herrschaftlichen Verbundenheit mit Lebach ist sich Johannes Naumann ganz sicher, dass hier Niedersaubach und nicht etwa Gresaubach gemeint ist.

Damit kann sich Niedersaubach jetzt schon darauf vorbereiten, 2012 seinen 800sten Geburtstag zu feiern. Johannes Naumann hat uns versprochen, hierzu bei der Erstellung der Jubiläumsschrift mitzuwirken.


Wir freuen uns auf dieses Fest.

Die Internetredaktion

 

Nachtrag:

Im Rahmen der 800-Jahrfeier wurde 2012 eine Festschrift veröffentlicht, welche die Umstände der ersten urkundlichen Erwähnung würdigte. In dieser Festschrift verfasste Klaus Feld einen Artikel zu „Niedersaubach in der Vierherrschaft Lebach“ (S. 21 ff).

Im Nachgang war ihm noch eine Randbemerkung wichtig (niedergeschrieben am 31. März 2012), die ich hier festhalten möchte:

 

„Der Ort ‚Saubach‘, genauer ‚Subach‘, wird im Jahr 1212 gleich zweimal erwähnt. Zum Einen verkaufen die beiden Ritter Albert und Rudolf von Siersberg Güter aus ihrem Eigenbesitz in Saubach und Lebach an den Erzbischof Johann I. von Trier. Dieser gibt die Güter als Lehen an die beiden Verkäufer zurück. Es wird angenommen, dass diese Lehen zu einem späteren Zeitpunkt an das Erzbistum zurückgefallen sind. Die Familie der Herren von Sierberg muss neben dem Lehen auch über Eigengut in Lebach verfügt haben.

Zum anderen nimmt im Jahr 1212 der Ritter Thilmann von Winterberg ein Darlehen über 100 Pfund Trierer Geldes bei der Abtei Tholey auf und überlässt ihr dafür eine jährliche Rente über 10 Pfund selben Geldes, welche er als Lehen der Abtei in den Dörfern Lebach und Saubach innehat.

Beide Vorgänge sind nicht in Originalurkunden, sondern lediglich in Form von Abschriften überliefert. Der Hinweis auf die Güterabtretung der Herren von Siersberg wird eher beiläufig in den Gesta des Trierer Erzbischofs Johann I erwähnt. Dieser starb im Sommer 1212. Daher hat der Verkauf der Güter in Saubach und Lebach vermutlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt während der Regentschaft Johanns stattgefunden. Wie die Herren von Siersberg an ihren Besitz in Saubach und Lebach kamen, ist mangels weiterer Quellen nicht mehr zu klären. Da die Herren von Siersberg auch im Steinbacher Tal, also in Thalexweiler und Steinbach, begütert waren, muss ihr Besitz in Lebach nicht unbedingt aus der Verwandtschaft mit den Herren von Hagen zur Motten hergeleitet werden.

Anders sieht es mit den Herren von Schwarzenberg aus. Diese benannten sich nach der Burg Schwarzenberg bei Lockweiler. Thilmann von Winterberg wird in der Literatur als ein Vertreter dieses Adelsgeschlechtes angesehen. Die Herren von Schwarzenberg werden mit guten Argumenten als Seitenlinie der Herren von Hagen zur Motten angesehen. Zudem gibt es vielfache verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden Familien. Offensichtlich haben die Schwarzenberger bei einer Teilung im Hause Hagen, die um das Jahr 1200 anzusetzen ist, schwerpunktmäßig Güter in Niedersaubach und Rümmelbach erhalten.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.